Ein stets
wiederkehrender Begriff bei der Analyse der internationalen
Beziehungen aus linker Perspektive ist der des „Imperialismus.“
Als besonders problematisch ist jedoch die Ungenauigkeit des
Imperialismus-Begriffs in Verbindung mit seinem inhaltlichen
Dogmatismus anzusehen. Der vorliegende Beitrag wird daher versuchen
zunächst kurz die Ursprünge und Inhalte des Imperialismus-Begriffs
darzulegen. Ausgehend von seiner historischen Entwicklung und seines
Pendants, des „Antiimperialismus“ sollen daraufhin ihre
zentralen Unzulänglichkeiten erörtert und kritisiert werden.
Donnerstag, 27. Juli 2017
Mittwoch, 17. Mai 2017
Bericht des LAK ['sisyphos] vom X. Bundeskongress der Linksjugend ['solid] 2017 in Leipzig
10 Jahre Linksjugend – Friede? Freude? Pustekuchen!
Die
sächsische Linksjugend gilt gemeinhin als das „Schmuddelkind“ des
Verbandes. Kein Bundeskongress, als das sich nicht irgendjemand über die
Genoss_innen aus Sachsen und ihr Verhalten in Hinblick auf
Sitzungsdisziplin und Konsum echauffierte. Auch politisch gibt der LV
Sachsen für viele im Verband ein gutes Feinbild dar, da man seinen
Mitgliedern eine Nähe zum BAK Shalom attestiert. Der Bundeskongress
2017, welcher vom 21. bis 23. April in Leipzig stattfand, versprach also
durchaus spannend zu werden, ein Versprechen, welches sich so leider
nicht ganz erfüllte, denn der Verband beging sein 10 Jähriges Jubiläum –
ein Ereignis welches man nutzen wollte um sich selbst zu feiern und die
bestehenden Gräben im Verband zu übertünchen.
Mit großen Pathos wurde die Erfolgsgeschichte des Verbandes nachgezeichnet: Mit den fast schon mythisch aufgeladenen Protesten von Heiligendamm 2007 als Ausgangspunkt, wurde kaum ein linkes Großevent der vergangenen Dekade ausgelassen, in dem der Linksjugend nicht eine herausragende Beteiligung zugesprochen wurde. Verbandskonflikte oder Negativereignisse wie die antisemitische Demonstration 2014 in Essen, welche nur durch die Beteiligung der regionalen Linksjugendstruktur überhaupt erst möglich war, wurden selbstverständlich ausgespart. Stattdessen wurde mantraartig die Einheit des „größten linken Jugendverbandes“ der Bundesrepublik beschworen. Die Delegation aus Nordrhein-Westfalen sang gnadenlos schief die immer gleichen drei Arbeiterlieder in Dauerschleife und die Revolution wäre wohl noch vor Ort ausgebrochen, hätte die ständig laufende Klimaanlage nicht die Gemüter der Tagungsmitglieder temperiert.
Aber genug des Ulks: Im Grunde war der Bundeskongress eine weitgehend fade Veranstaltung. Die beschlossenen Positionen waren meist nicht mehr als ein Aufguss der bekannten Verbandsthemen der letzten Jahre: G20, Klimaschutz, Solidaritätserklärungen, Feminismus, Antifaschismus und irgendwas zu Krieg & Frieden - Dafür lassen sich die Verbandsmassen begeistern und die Anträge zu diesen Themen wurden meist ohne nennenswerten Dissens durch gestimmt. Trotz des, über weite Strecken sehr langweiligen, Bukos haben sich jedoch auch einige schwerwiegende Fauxpas ereignet, die unserer Meinung nach aufgearbeitet werden müssen. Diese wollen wir darum im folgenden darstellen.
Mit großen Pathos wurde die Erfolgsgeschichte des Verbandes nachgezeichnet: Mit den fast schon mythisch aufgeladenen Protesten von Heiligendamm 2007 als Ausgangspunkt, wurde kaum ein linkes Großevent der vergangenen Dekade ausgelassen, in dem der Linksjugend nicht eine herausragende Beteiligung zugesprochen wurde. Verbandskonflikte oder Negativereignisse wie die antisemitische Demonstration 2014 in Essen, welche nur durch die Beteiligung der regionalen Linksjugendstruktur überhaupt erst möglich war, wurden selbstverständlich ausgespart. Stattdessen wurde mantraartig die Einheit des „größten linken Jugendverbandes“ der Bundesrepublik beschworen. Die Delegation aus Nordrhein-Westfalen sang gnadenlos schief die immer gleichen drei Arbeiterlieder in Dauerschleife und die Revolution wäre wohl noch vor Ort ausgebrochen, hätte die ständig laufende Klimaanlage nicht die Gemüter der Tagungsmitglieder temperiert.
Aber genug des Ulks: Im Grunde war der Bundeskongress eine weitgehend fade Veranstaltung. Die beschlossenen Positionen waren meist nicht mehr als ein Aufguss der bekannten Verbandsthemen der letzten Jahre: G20, Klimaschutz, Solidaritätserklärungen, Feminismus, Antifaschismus und irgendwas zu Krieg & Frieden - Dafür lassen sich die Verbandsmassen begeistern und die Anträge zu diesen Themen wurden meist ohne nennenswerten Dissens durch gestimmt. Trotz des, über weite Strecken sehr langweiligen, Bukos haben sich jedoch auch einige schwerwiegende Fauxpas ereignet, die unserer Meinung nach aufgearbeitet werden müssen. Diese wollen wir darum im folgenden darstellen.
Dienstag, 25. April 2017
Bukoantrag zur Distanzierung von stalinistischen, maoistischen und anderen autoritären Umtrieben
Nachdem sich auf unsere Initiative hin bereits schon die Linksjugend Thüringen von Stalinismus und Maoismus distanziert und eine allgemeine Unvereinbarkeit mit diesen Ideologien beschlossenen hat, hat nun auch der X. Bundeskongress der Linksjugend ['solid] (mit einer kleinen Änderung) folgende Positionierung angenommen:
„Nein, nein, das ist nicht der Kommunismus“ –
Gegen Stalin, Mao und autoritäre Sozialismusvorstellungen
Antragsteller: LAK ['sisyphos] Thüringen
Der Bundeskongress möge beschließen
In der linkspolitischen Landschaft der Bundesrepublik erblickte vergangenen Jahres ein totgeglaubter Politzombie das Tageslicht: der Maoismus. Besonders zwei Gruppen erregten, sowohl in der bürgerlichen Presse als auch in der linken Szene, Aufmerksamkeit: Der Revolutionäre Aufbau und der sogenannte Jugendwiderstand. Diese beiden Gruppierungen stehen symptomatisch für die Renaissance autoritärer Sozialismusvorstellungen, welche für uns als emanzipatorische Linke ein Problem darstellen. Im Folgenden werden wir einige Einwände gegen die Ideologie der beiden Gruppen im Kontext der tatsächlichen Bewegungsgeschichte erheben um dann anschließend die für uns daraus hervorgehenden Einwände und Schlüsse für unseren Verband festzulegen.
Stalinismus
Mit der Machtübernahme Stalins wurde den progressiven Momenten der Oktoberevolution ein jähes Ende bereitet. Die Sowjetunion entwickelte sich zu einer totalitären Diktatur. Der stalinistische Terror gegen die tatsächlichen oder vermeintlichen Gegner_innen Stalins richtete sich dabei gegen die Bevölkerung: Trotzkist_innen, ausländische Kommunist_innen die vor Verfolgung geflohen waren, Großbauern und willkürlich als solche deklarierte, Geistliche und ethnische Minderheiten wurden verhaftet, in Schau- und Geheimprozessen zu Zwangsarbeit verurteilt oder hingerichtet, Millionen Sowjetbürger_innen in Gulags deportiert. Viele wurden dort getötet oder kamen durch die unmenschlichen Bedingungen ums Leben.
Die vorher errungenen Erfolge
der Frauen- und Homosexuellenemanzipation verkehrten sich in ihr
Gegenteil: Ab 1933/34 galten homosexuelle Handlungen nach Paragraph
154a StGB der RSFSR als eine Straftat. Homosexuelle wurden seither
wieder in der Sowjetunion verfolgt, weibliche Homosexualität wurde
gar als Persönlichkeitsstörung eingestuft. Ebenso wurden in diesem
Zuge 1934 Abtreibungen in der Sowjetunion illegalisiert.
Stalinismus steht somit konträr
zu den Idealen des Pluralismus und von individueller Freiheit und
Selbstbestimmung. So wurde die Welt Zeuge, wie während der Moskauer
Prozesse die Opfer derselben als willige Helfershelfer_innen agierten
und in ihren „Geständnissen“ die freien Erfindungen der
Staatsanwaltschaft tendenziell überboten. Das Argument dem sich alle
beugten lautete: „Wenn du wirklich [...] für die Sowjetregierung
bist, dann kannst du es augenblicklich nur dadurch beweisen, dass du
die Geständnisse ablegst, die die Regierung von dir verlangt, weil
sie in diesem Zeitpunkt solche Geständnisse braucht.“ [1]
Maoismus
Die Volksrepublik China war während der gesamten rund dreißigjährigen Herrschaft Mao Tse-tungs ein wirtschaftlich ineffizientes, von politischen Verfolgungen gezeichnetes und bis 1972 außenpolitisch weitgehend isoliertes Land.
Maoismus
Die Volksrepublik China war während der gesamten rund dreißigjährigen Herrschaft Mao Tse-tungs ein wirtschaftlich ineffizientes, von politischen Verfolgungen gezeichnetes und bis 1972 außenpolitisch weitgehend isoliertes Land.
Dennoch
sollte man, wird über den Maoismus geredet, nicht verschweigen, dass
er aus der spezifischen historischen Situation entsprang, sich gegen
die rechten Antikommunist_innen der Kuomintang zu stellen.
Diese Errungenschaft (Gewinnen des Chinesischen Bürgerkriegs) wollen
wir ihm nicht absprechen. Was uns jedoch als augenfällig notwendig
erscheint, ist die Betonung, Kritik und Ablehnung der
menschenverachtenden und kompromisslosen Härte, mit der gegen
vermeintliche Gegner_innen vorgegangen wurde. Auch muss festgehalten
werden, das die Modernisierung des Landes im Zuge des „Großen
Sprung nach Vorn“ mehrere Millionen verhungerte Landarbeiter_innen
zur Folge hatte. Als die Nachricht von den Hungersnöten in Peking
ankam, kommentierte Mao dies wie folgt: „Wenn es nicht genug zu
essen gibt, verhungern die Menschen. Es ist besser, die Hälfte der
Menschen sterben zu lassen, damit die andere Hälfte genug zu essen
hat.“[2]
Auch an folgendem Beispiel lässt
sich der maoistische Irrsinn gut skizzieren: Um die Produktivität
der Landwirtschaft zu steigern, wurde die „Große Spatzenkampagne“
ausgerufen. Im Zuge dieser wurden circa zwei Millionen Vögel
getötet. Als nach diesem rapiden Populationsrückgang China von
Insektenplagen heimgesucht wurde[3],
importierte man kurzerhand Vögel aus der Sowjetunion.
Der gelebte
Antiintellektualismus während der sogenannten „Kulturrevolution“
liegt uns als emanzipatorischen Linken in besonderem Maße fern. Im
Zuge dieser schwänzten die Jugendlichen Schulen und Universitäten,
schlossen sich zu Roten Garden zusammen, töteten und misshandelten
zahlreiche Menschen – insbesondere Menschen mit Bildung
(Lehrer_innen, Ärzt_innen, Künstler_innen, Geistliche,
Parteikader_innen) –, zerstörten Kulturdenkmäler, Tempel,
Bibliotheken und Museen und bekämpften sich sogar untereinander.
Wie lässt sich der Kampf um die Köpfe der Bevölkerung führen, wenn diese mit Kommunismus Gulag und Massensterben verbinden?
Sowohl der Revolutionäre Aufbau, als auch der Jugendwiderstand affirmieren offen die stalinistischen und maoistischen Schrecken. Auch Drohungen und tätliche Angriffe gegen andere Linke gehören zur politischen Praxis.
Wie lässt sich der Kampf um die Köpfe der Bevölkerung führen, wenn diese mit Kommunismus Gulag und Massensterben verbinden?
Sowohl der Revolutionäre Aufbau, als auch der Jugendwiderstand affirmieren offen die stalinistischen und maoistischen Schrecken. Auch Drohungen und tätliche Angriffe gegen andere Linke gehören zur politischen Praxis.
Mit Parolen und Losungen wie
„Nur der Griff der Massen zum Gewehr, schafft den Sozialismus
her!“, „Kommunismus ist nicht Liebe. Kommunismus ist der Hammer,
mit dem wir den Feind zerschlagen.“ (Mao) und „Wir wollen mit
unserer Kultur Krieger erziehen und nicht einen Haufen verballerter
Junkies, die am nächsten Morgen auf der Demonstration kaum grade
stehen können, falls sie überhaupt erscheinen.“ stehen sie in der
Tradition des maoistischen Konzepts vom Volkskrieg. Dieses Konzept
halten wir nicht nur darum für problematisch, weil es eine
apokalyptische Endschlacht zwischen Bourgeoisie und Proletariat
heraufbeschwört, sondern auch deshalb weil uns die Vorstellung der
bewaffneten Masse in Hinblick auf die Vergangenheit gruselt.
Als linker Jugendverbandes
halten wir nichts davon zum Töten unserer Gegner_innen und zur
Gewalt gegen andere Linke aufzurufen. Vielmehr sehen wir unsere
Aufgabe in der Befähigung der Menschen durch Bildung im Sinne eines
marx'schen Humanismus in einen wahrhaft menschlichen Zustand – in
dem „alle Verhältnisse [umgeworfen sind], in denen der Mensch ein
erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches
Wesen ist“[4]
- hinüberzutreten, in welchem als gesellschaftlicher Grundsatz gilt:
„Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“[5]
Daher ergeben sich folgende Punkte für das politische Profil unseres Jugendverbandes:
1) Die Linksjugend ['solid] distanziert sich von oben genannten stalinistischen und maoistischen Gruppen.
2) Die Linksjugend ['solid] beschließt eine generelle Unvereinbarkeit mit stalinistischer und maoistischer Ideologie und bekräftigt ihren Abstand zu autoritären Sozialismusvorstellungen, da sie unseren Verbandsgrundsätzen (Pluralismus, Basisdemokratie, Selbstbestimmung, Antisexismus) entgegenstehen.
Daher ergeben sich folgende Punkte für das politische Profil unseres Jugendverbandes:
1) Die Linksjugend ['solid] distanziert sich von oben genannten stalinistischen und maoistischen Gruppen.
2) Die Linksjugend ['solid] beschließt eine generelle Unvereinbarkeit mit stalinistischer und maoistischer Ideologie und bekräftigt ihren Abstand zu autoritären Sozialismusvorstellungen, da sie unseren Verbandsgrundsätzen (Pluralismus, Basisdemokratie, Selbstbestimmung, Antisexismus) entgegenstehen.
---
[1] Anton
Ciliga: The Russian Enigma, S.153. zit. nach: Hannah Arendt:
Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus,
Imperialismus, totale Herrschaft, S.661.
[2] Alexander
V. Pantsov/ Steven I. Levine: Mao. Die Biographie. Online:
https://books.google.de/books?id=C05tAgAAQBAJ&pg=PT589&lpg=PT589&dq#v=onepage&q&f=false
; zuletzt überprüft am 07.04.2017.
[3] "Ich
erinnerte mich an einen Tag, an dem die ganze Bevölkerung nichts
anderes machte, als mit Gongs und Töpfen und allen möglichen
anderen zum Krachmachen geeigneten Gegenständen auf den Straßen
und in den Höfen herumzulaufen, um die Spatzen aufzuscheuchen. Den
ganzen Tag war so laut gescheppert worden, dass die Vögel sich
nirgends niederlassen konnten und schließlich tot vom Himmel
fielen. An jenem Tag wurden Millionen von Vögeln getötet, und wir
waren alle ganz stolz darauf gewesen. War es nicht fantastisch, wie
es Mao Zedong gelang, die gesamte Bevölkerung für ein gemeinsames
Ziel zu mobilisieren? Erst später erfuhren wir, dass die Vögel,
die in der Stadt lebten, immer in der Stadt blieben und deshalb gar
keinen Schaden auf den Feldern anrichten konnten. Im Gegenteil: Da
nicht nur die körnerfressenden Spatzen von der Aktion betroffen
waren, hatten wir anschließend eine Insektenplage erlebt."
(Yu-Chien Kuan: Mein Leben unter zwei Himmeln. S. 468)
[4] Karl
Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. In MEW Band 1,
S.385.
[5] Karl
Marx: Kritik des Gothaer Programms. In MEW Band 19, S.21.
Mittwoch, 25. Januar 2017
Vollständige Erklärung: "Antisemitismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem!"
Nach der Beschlusslage desBundeskongresses 2015 sollte der Kampf gegen jeden Antisemitismus
eigentlich eine Grundposition der Linksjugend sein. Das der
Landesverband Thüringen das heute nochmal bekräftigt ist darum
eigentlich unerheblich, wenn doch natürlich trotzdem auch
begrüßenswert.
Was uns jedoch unsagbar fassungslos
macht ist die Entkontextualisierung dieser Positionierung durch den
aktuellen Landessprecher_innenrat. Gegen jeden Antisemitismus zu sein
heißt für uns auch gegen jedes Appeasement mit Antisemit_innen zu
sein!
Deswegen dokumentieren wir an dieser
Stelle die, vom LSPR leider unveröffentlichte, Originalversion der
Erklärung:
"Antisemitismus ist ein
gesamtgesellschaftliches Problem! Die Ideologie, die sich von der
Verachtung gegen „die da oben“ bis hin zum Verlangen nach der
Vernichtung aller Juden und Jüdinnen erstreckt, hat zu einem
Verbrechen geführt, das hoffentlich nie ein zweites seiner Art
erfährt. Als Jugendverband haben wir uns verpflichtet uns gegen jede
Form des Antisemitismus zu stellen und werden ihn konsequent bei uns
und anderen anprangern.
Ein anderes Problem liegt in der
allgemeinen Diskussionskultur. Menschlich vollkommen unverständlich
erscheinen uns die überhandnehmenden Beleidigungen und der
konsequente Verzicht darauf Verantwortung für Scheiße zu
übernehmen.
Es gibt in der Linksjugend [solid]
einen Verband, der leider sinnbildlich für diese Entwicklung steht,
was für uns als Landesverband geradezu unerträglich ist.
In dem Konflikt zwischen der
Linksjugend ['solid] NRW und Jutta Ditfurth wollen wir auf einen
besonderen Vorteil politischer Jugendverbände hinweisen:
Sich glaubhaft zu entschuldigen und
anschließend ein halbes Jahr zurückzuziehen um den eigenen
Aktivismus und die eigenen Überzeugungen zu hinterfragen wird als
Stärke gesehen und kann etwas aus der Welt schaffen. Dieses Privileg
kommt so schnell nicht wieder! Es gibt Fehler, die sind
unentschuldbar – und doch ist etwas aus ihnen zu lernen eine
Tugend, die zu Recht große Anerkennung erfährt.
Was in keiner Weise unkommentiert
stehen gelassen werden kann, ist eine scheinheilige Distanzierung die
vollkommen folgenlos bleiben wird und die blanke Aussage, es gäbe
keinen Antisemitismus im Landesverband NRW. Ein kritischer Blick auf
sich selbst ist eine grundlegende Voraussetzung sowohl für den
Anspruch glaubhaft zu sein, als auch für den Anspruch Emanzipation
voran zu treiben."
Samstag, 21. Januar 2017
Mit Denkmälern gegen die Barbarei?
Mit seiner Brandrede
in einem Dresdner Brauhaus erregt Björn Höcke momentan die Gemüter
in der Republik. Der faschistische Agitator aus Thüringen nutzt
seine Redezeit, um mit der Politik und Gesellschaft in der
Bundesrepublik abzurechnen. Dem autoritären Mob gefällt es. Nur
mit Mühe gelingt es der Masse, ruhig zu bleiben und regelmäßig
blökt sie dumpfe Parolen - "Merkel muss weg",
"Volksverräter", "ausmisten" und
nicht zu vergessen: "Wir sind das Volk".
Es gibt viele Punkte aus
der Rede, die man für eine Kritik aufgreifen könnte - ja müsste.
Bedauerlich finden wir, dass der LSPR der Linksjugend ['solid]
Thüringen nicht die Pressemitteilung der Linksjugend Jena verwenden
wollte und sich davor gescheut hat, sowohl Höcke einen Nazi zu
nennen, als auch seine Zuhörerschaft als das zu charakterisieren
was sie waren, nämlich Pöbel.[1] Dass sich der LSPR
nur darauf verständigen konnte, ein Sharepic, mit der Beschriftung
"Wenn Björn Höcke (AfD) die Verbrechen des
Nationalsozialismus verharmlost, Geschichtsverfälschung betreibt
und 'Deutschland Stück für Stück zurückholen' will und alle
jubeln, zeigt das deutlich: ES GIBT NOCH NICHT GENUG
HOLOCAUST-MAHNMALE"[2], zu teilen, finden wir schade, zumal
wir den Spruch auch mehr als kritisch sehen.
![]() |
Das Sharepic des Landesverbandes. |
Denn hier schwingt die
irrsinnige Annahme mit, mit Denkmälern alleine könne man etwas
gegen die, in der warenproduzierenden postnazistischen Gesellschaft
omnipräsente, Gefahr des wiederaufkommenden Faschismus bewirken.
Den Verantwortlichen wäre wohl die Lektüre des kurzen Textes "Was
bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit?" des Philosophen
und kritischen Theoretikers Theodor W. Adorno zu empfehlen. Dieser
verweist auf "demokratische Pädagogik"[3], welche, in
Kombination mit psychoanalytischen Methoden, Aufklärung über das
Geschehene am besten vermitteln könnte.[4]
Das bloße Denk- oder
Mahnmal kann dieser Aufklärung über die Shoah nur unzureichend
gerecht werden und das aktuelle Kunstprojekt #YOLOCAUST führt
dies derzeit recht deutlich vor Augen.[5] So ein Umgang mit dem
Gedenkort ist dabei keineswegs neu, sondern knüpft an die Aussage
des Altkanzlers Gerhard Schröder über das Stelenfeld, als einen
Ort den man „gern mal besucht“[6], an. Wie unbekümmert
man in Deutschland mit der Vergangenheit umgeht, zeigt sich auch,
wenn Historiker, wie Eberhard Jäckel, in Festreden über den Sinn
des Berliner Shoah-Denkmales sinnieren, dass "wir" in
anderen europäischen Ländern um dieses Denkmal beneidet werden
würden und "wir" dank diesem nun wieder aufrecht gehen
könnten.[7] Dank dem Berliner Shoah-Mahnmal kann man also wieder
stolz sein auf Deutschland und seinen Umgang mit der Vergangenheit:
Bravo! In guter deutscher Manier lassen sich jetzt auch wieder all
diejenigen mit erhobenen Zeigefinger zurechtweisen, die aus der
Vergangenheit nicht so viel gelernt hätten wie die "anständigen
Deutschen". Beliebtes Ziel der deutschen Besserwisserei ist
dabei natürlich immer der Staat der Shoah-Überlebenden - Israel.
Wie man hoffentlich
verstanden hat, ist das Shoah-Mahnmal in Berlin ein denkbar
schlechtes Beispiel, wenn man kritisieren möchte, dass "Deutschland
Stück für Stück" zurück geholt wird. Vielmehr muss man
feststellen: Deutschland war nie weg. Statt mehr Mahnmale zu
verlangen, wäre es darum sinnvoller zu fordern: "[Alles]
Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sich
wiederhole, nichts ähnliches geschehe."[8]
[1] – Pressemitteilung der Linksjugend
Jena: https://www.facebook.com/LinksjugendJena/posts/941135096023881
; zuletzt überprüft am 21.01.2017.
[2] – Facebook-Link zum
Sharepic:https://www.facebook.com/solidthueringen/photos/a.212467095473524.54582.211762745543959/1237217286331828/?type=3&theater ;
zuletzt überprüft am 21.01.2017.
[3] – Adorno, Theodor:
Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit? In: ders.: Erziehung
zur Mündigkeit. Frankfurt/ Main 2015. S. 24.
[4] – ebd. S. 27.
[5] – siehe die Internetpräsenz des
Projektes: http://yolocaust.de/ ;
zuletzt überprüft am 21.01.2017.
[6] – zitiert nach: Feddersen, Jan:
Die Erinnerungslücken bleiben. in: taz, 10.05.2006. online:
http://www.taz.de/!434761/
; zuletzt überprüft am 21.01.2017.
[7] – zitiert nach: Entweder Broder
– Die Deutschland-Safari. Folge 2: Von Allah bis Osama, Minute
05:18.
[8] – Adorno, Theodor:
Negative Dialektik. Frankfurt/ Main 2000. S. 358.
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