Anbei dokumentieren wir einen Bukoantrag den wir als Landesarbeitskreis ['sisyphos] zur Behandlung auf dem kommenden Bundeskongress der Linksjugend ['solid] eingereicht haben und um dessen Annahme wir dort streiten wollen.
Update 15.04.2018: Mit einem Stimmverhältnis von 75 Für- zu 64 Gegenstimmen wurde der Antrag von einer Mehrheit des Bundeskongresses angenommen.
Positionierung zum Islamismus
"Der Islam gehört nicht zu Deutschland" - Diese hohle Phrase konnte man im vergangen Monat in großen Lettern in den Zeitungen des ganzen Bundesgebietes lesen. So unwahr und dämlich dieser Spruch des neuen Heimatministers Horst Seehofer auch ist, er steht symptomatisch für eine verkorkste Debatte über Islamismus die vom Großteil der Diskussionsteilnehmer_innen am Thema vorbei geführt wird. Als größter linksradikaler Jugendverband dieser Republik ist uns nicht daran gelegen bestimmen zu wollen, was zu Deutschland gehören mag und was nicht. Wir wollen uns in die Debatte um den politischen Islam einmischen und uns jeder Hetze - der rechten Fremdenfeindlichkeit, dem genuinen Rassismusvorwurf an Islamismuskritiker_innen, und dem Hass der Islamisten auf Ungläubige oder Minderheiten - entgegenstellen.
Da ein Antifaschismus auf Höhe der
Zeit die individuelle Freiheit jedes Menschen gegen alle verteidigen
muss, die sie einzuschränken versuchen, ist uns an einer
materialistischen Kritik an den Phänomenen des politischen Islams
gelegen. Geboten ist sie allemal: Während im Iran Homosexuelle an
deutschen Baukränen aufgehangen werden und die Hamas in Israel
Raketen auf Zivilgebiete abfeuert, marschiert der deutsche Handels-
und NATO-Partner Türkei in Nordsyrien gemeinsam mit lokalen
Djihadisten ein, welche insbesondere die kurdische und jesidische
Bevölkerung in enormem Umfang bedrohen. In Ländern wie Indonesien,
wo bisher gemäßigte Formen des Islams vorherrschten, sind radikale
Kräfte massiv auf dem Vormarsch, und auch in Europa arbeiten
islamistische Bewegungen zielgerichtet - sei es durch Akte des
Terrors oder aber ganz legalistisch über die Lobbyarbeit in den
Islamverbänden.
Unter Islamismus definieren wir einen Oberbegriff unter dem sich mehrere politische Ideologien sammeln lassen, deren gemeinsamer Nenner in der Forderung nach einer radikalen Neuausrichtung der Gesellschaft anhand der heiligen Texte des Islams zu finden ist. Er entstand als Reflex auf die Moderne und die sie begleitenden Umwälzungen und ist als eine „aktivistische, reaktionär-regressive Widerspruchsverarbeitung angesichts einer objektiv-realen (ökonomischen, sozialen, politischen) und geistig kulturellen Krisensituation“1 zu charakterisieren.
Das ideologische Fundament entstand
bereits im 18. und 19. Jahrhundert als sich abzeichnete, dass die
muslimische Welt technologisch, wissenschaftlich und militärisch
von Europa abgehängt wurde. Der Grundgedanke dieses Frühislamismus:
Die historische Schwäche der islamischen Welt liege in der
unislamischen Lebensweise der Menschen. Um zurück zu alter Stärke
zu finden, müssten die Muslime wieder gottgefälliger Leben. Durch
die Rückbesinnung auf die Ursprünge soll der wesentliche Kern der
Religion freigelegt werden.
Zum Instrumentarium von Islamisten
zählt seitdem zwar die Thematisierung der destruktiven Symptome von
Moderne und Kapitalismus jedoch nicht die Analyse der endogenen
Ursachen für alle Krisen in der islamischen Welt. Folglich gehören
heute regressive Ursachenbenennungen und die Konstruktion von
Feindbildern zum festen Bestandteil jeder islamistischen Ideologie.
Nach „innen“ äußert sich dieses Feindbild im Hass auf Zweifler
und Apostaten, sowie all jene die durch einen angeblich sündhaften
- „westlichen“ - Lebensstil auf eine Zerstörung der islamischen
Ordnung hinarbeiten, also auch Homosexuelle, Transgender und Frauen,
die das traditionelle Rollenbild in Frage stellen. Nach „außen“
mündet diese regressive Ursachensuche in einem antisemitischen
Welterklärungsversuch, der sich zu einem verschwörungsideologischen
Gebäude ausformt, demgemäß der „Westen“ und Israel die
Verantwortlichen dieser inneren Krise seien.
Ideologischer Orientierungspunkt ist
seit jeher der frühe Islam der ersten drei Generationen nach
Mohammed, also der Islam in der Phase seiner Expansion. Heute zeigt
sich der Islamismus nicht nur in seiner gewalttätigen Ausprägung
(dem Djihadismus). Auch legalistische Gruppen trachten danach, einen
islamischen Staat zu errichten.
Teil des Problems: Zum Wirken von legalistischen Islamisten in deutschen Islamverbänden
Auch wenn Seehofer den Islam nicht als
Teil von Deutschland sehen möchte, so sollen laut ihm die
Islamverbände doch weiterhin an wichtigen Entscheidungen teilhaben
dürfen. Wir müssen dabei konstatieren, dass es sich dabei leider
nicht um die liberalen und gemäßigten Kräfte handelt mit denen da
geredet werden soll. Teil der deutschen Islamkonferenz sind mit dem
Zentralrat der Muslime (ZMD), der Türkisch-Islamischen Union der
Anstalt für Religion (DITIB) und dem Islamrat (IR) genau die
Verbände, die den Muslim_innen eine zutiefst konservative Auslegung
des Islams predigen und in deren Reihen Islamisten geduldet werden.
Innerhalb des ZMD, welcher - anders
als der Name suggeriert - nicht „die Mehrheit der Muslim_innen“
in Deutschland sondern nur etwa 0,5% von ihnen vertritt, wirkt mit
der Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine (ATIB)
beispielsweise eine Organisation mit, die nach der Einschätzung von
Ismail Küpeli in Verbindung zu den faschistischen Grauen Wölfen
steht. Prägend für deren Ideologie ist der Hass auf Alevit_innen
und Christ_innen. ATIB ist innerhalb des Zentralrates keineswegs
isoliert. Mit Mehmet Alparslan Çelebi, welcher ua. die
Armenien-Resolution des Bundestages verurteilt, stellen sie einen
der stellvertretenden Vorsitzenden des ZMD.
Weiterhin Teil des Zentralrats sind
Organisationen wie beispielsweise die IGD, die in einer
ideologischen und historischen Verbindung zu der stramm
antisemitischen, antidemokratischen und antikommunistischen
Muslimbruderschaft stehen. Laut der Islamwissenschaftlerin Dr.
Valentina Colombo zählt zu diesen Vereinigungen auch das Islamische
Zentrum Aachen, die geistliche Heimat von Aiman Mazyek, seines
Zeichens Vorsitzender des ZMD.
Ebenfalls im ZMD aktiv ist das
Islamisches Zentrum Hamburg (IZH), wobei es sich um eine
radikalislamische schiitische Institution handelt, welche direkt
durch das iranische Regime kontrolliert wird und welches zu den
Organisatoren des alljährlich stattfindenden antisemitischen
Al-Quds-Marsches zählt.
Die DITIB wiederum geriet im
vergangenen Jahr durch einen Spionageskandal in die Schlagzeilen. Bei
ihr handelt es sich um eine politische Organisation durch welche das
türkische Regime versucht auf die Muslim_innen in Deutschland
Einfluss zu nehmen. Kürzlich wurde bekannt, dass sie eine
Jugendreise in die Türkei durchführte, bei der sie zu Besuch im
Präsidentenpalais beim „obersten Heerführer“ waren. Im Zuge des
türkischen Angriffs gegen Afrin, rief sie in ihren Moscheen dazu
auf, für einen schnellen Sieg der türkischen Truppen und ihrer
islamistischen Verbündeten zu beten.
Innerhalb des Islamrates für die
Bundesrepublik Deutschland besitzt die Islamische Gemeinschaft Millî
Görüş (IGMG), der islamistische Tendenzen vorgeworfen werden, den
größten Einfluss. Sie ist die mitgliederstärkste Teilorganisation
und der ehemalige IGMG-Funktionär Ali Kızılkaya ist derzeit
Vorsitzender des IR. 2010 leiteten Funktionäre der IGMG über einen
Hilfsverein – die mittlerweile verbotene „Internationale
Humanitäre Hilfsorganisation“ - Gelder in Höhe von 6,6 Millionen
Euro an die antisemitische Terrororganisation Hamas weiter.
Unsere Positionen und Forderungen
- Die Linksjugend spricht sich gegen den Versuch aus, Kritik am politischen Islam pauschal als Rassismus zu brandmarken.
- Keine Zusammenarbeit mit Islamisten und den Angehörigen ihrer Tarnorganisationen! Vollständiger Ausschluss von Vereinen wie der DITIB von der staatlichen Förderung.
- Wir unterstützen die liberalen muslimischen Kräfte wie z.B. das Muslimische Forum Deutschland oder die ibn-Rushd-Goethe-Moschee von Seyran Ateş.
- Solidarität mit allen durch den Islamismus unterdrückten Menschen und Solidarität mit allen die so wie in Rojava und im Iran gegen ihn aufbegehren.
- Wir fordern von der Bundesregierung eine Änderung ihrer Türkeipolitik und ein konsequentes Verbot von Waffenlieferungen an die Türkei und andere islamistische Regime.
- Die Linksjugend spricht sich für ein vollständiges Verbot der islamistischen und antisemitischen Hisbollah in Deutschland und Europa aus und wirkt auf die Partei ein diese Position ebenfalls zu übernehmen.
--
1Krauss,
Hartmut: Islam, Islamismus und muslimische Gegengesellschaft.
Osnabrück: 2008. S. 133.
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