Mit seiner Brandrede
in einem Dresdner Brauhaus erregt Björn Höcke momentan die Gemüter
in der Republik. Der faschistische Agitator aus Thüringen nutzt
seine Redezeit, um mit der Politik und Gesellschaft in der
Bundesrepublik abzurechnen. Dem autoritären Mob gefällt es. Nur
mit Mühe gelingt es der Masse, ruhig zu bleiben und regelmäßig
blökt sie dumpfe Parolen - "Merkel muss weg",
"Volksverräter", "ausmisten" und
nicht zu vergessen: "Wir sind das Volk".
Es gibt viele Punkte aus
der Rede, die man für eine Kritik aufgreifen könnte - ja müsste.
Bedauerlich finden wir, dass der LSPR der Linksjugend ['solid]
Thüringen nicht die Pressemitteilung der Linksjugend Jena verwenden
wollte und sich davor gescheut hat, sowohl Höcke einen Nazi zu
nennen, als auch seine Zuhörerschaft als das zu charakterisieren
was sie waren, nämlich Pöbel.[1] Dass sich der LSPR
nur darauf verständigen konnte, ein Sharepic, mit der Beschriftung
"Wenn Björn Höcke (AfD) die Verbrechen des
Nationalsozialismus verharmlost, Geschichtsverfälschung betreibt
und 'Deutschland Stück für Stück zurückholen' will und alle
jubeln, zeigt das deutlich: ES GIBT NOCH NICHT GENUG
HOLOCAUST-MAHNMALE"[2], zu teilen, finden wir schade, zumal
wir den Spruch auch mehr als kritisch sehen.
Das Sharepic des Landesverbandes. |
Denn hier schwingt die
irrsinnige Annahme mit, mit Denkmälern alleine könne man etwas
gegen die, in der warenproduzierenden postnazistischen Gesellschaft
omnipräsente, Gefahr des wiederaufkommenden Faschismus bewirken.
Den Verantwortlichen wäre wohl die Lektüre des kurzen Textes "Was
bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit?" des Philosophen
und kritischen Theoretikers Theodor W. Adorno zu empfehlen. Dieser
verweist auf "demokratische Pädagogik"[3], welche, in
Kombination mit psychoanalytischen Methoden, Aufklärung über das
Geschehene am besten vermitteln könnte.[4]
Das bloße Denk- oder
Mahnmal kann dieser Aufklärung über die Shoah nur unzureichend
gerecht werden und das aktuelle Kunstprojekt #YOLOCAUST führt
dies derzeit recht deutlich vor Augen.[5] So ein Umgang mit dem
Gedenkort ist dabei keineswegs neu, sondern knüpft an die Aussage
des Altkanzlers Gerhard Schröder über das Stelenfeld, als einen
Ort den man „gern mal besucht“[6], an. Wie unbekümmert
man in Deutschland mit der Vergangenheit umgeht, zeigt sich auch,
wenn Historiker, wie Eberhard Jäckel, in Festreden über den Sinn
des Berliner Shoah-Denkmales sinnieren, dass "wir" in
anderen europäischen Ländern um dieses Denkmal beneidet werden
würden und "wir" dank diesem nun wieder aufrecht gehen
könnten.[7] Dank dem Berliner Shoah-Mahnmal kann man also wieder
stolz sein auf Deutschland und seinen Umgang mit der Vergangenheit:
Bravo! In guter deutscher Manier lassen sich jetzt auch wieder all
diejenigen mit erhobenen Zeigefinger zurechtweisen, die aus der
Vergangenheit nicht so viel gelernt hätten wie die "anständigen
Deutschen". Beliebtes Ziel der deutschen Besserwisserei ist
dabei natürlich immer der Staat der Shoah-Überlebenden - Israel.
Wie man hoffentlich
verstanden hat, ist das Shoah-Mahnmal in Berlin ein denkbar
schlechtes Beispiel, wenn man kritisieren möchte, dass "Deutschland
Stück für Stück" zurück geholt wird. Vielmehr muss man
feststellen: Deutschland war nie weg. Statt mehr Mahnmale zu
verlangen, wäre es darum sinnvoller zu fordern: "[Alles]
Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sich
wiederhole, nichts ähnliches geschehe."[8]
[1] – Pressemitteilung der Linksjugend
Jena: https://www.facebook.com/LinksjugendJena/posts/941135096023881
; zuletzt überprüft am 21.01.2017.
[2] – Facebook-Link zum
Sharepic:https://www.facebook.com/solidthueringen/photos/a.212467095473524.54582.211762745543959/1237217286331828/?type=3&theater ;
zuletzt überprüft am 21.01.2017.
[3] – Adorno, Theodor:
Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit? In: ders.: Erziehung
zur Mündigkeit. Frankfurt/ Main 2015. S. 24.
[4] – ebd. S. 27.
[5] – siehe die Internetpräsenz des
Projektes: http://yolocaust.de/ ;
zuletzt überprüft am 21.01.2017.
[6] – zitiert nach: Feddersen, Jan:
Die Erinnerungslücken bleiben. in: taz, 10.05.2006. online:
http://www.taz.de/!434761/
; zuletzt überprüft am 21.01.2017.
[7] – zitiert nach: Entweder Broder
– Die Deutschland-Safari. Folge 2: Von Allah bis Osama, Minute
05:18.
[8] – Adorno, Theodor:
Negative Dialektik. Frankfurt/ Main 2000. S. 358.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen