Samstag, 21. Januar 2017

Mit Denkmälern gegen die Barbarei?

Mit seiner Brandrede in einem Dresdner Brauhaus erregt Björn Höcke momentan die Gemüter in der Republik. Der faschistische Agitator aus Thüringen nutzt seine Redezeit, um mit der Politik und Gesellschaft in der Bundesrepublik abzurechnen. Dem autoritären Mob gefällt es. Nur mit Mühe gelingt es der Masse, ruhig zu bleiben und regelmäßig blökt sie dumpfe Parolen - "Merkel muss weg", "Volksverräter", "ausmisten" und nicht zu vergessen: "Wir sind das Volk".
 Es gibt viele Punkte aus der Rede, die man für eine Kritik aufgreifen könnte - ja müsste. Bedauerlich finden wir, dass der LSPR der Linksjugend ['solid] Thüringen nicht die Pressemitteilung der Linksjugend Jena verwenden wollte und sich davor gescheut hat, sowohl Höcke einen Nazi zu nennen, als auch seine Zuhörerschaft als das zu charakterisieren was sie waren, nämlich Pöbel.[1] Dass sich der LSPR nur darauf verständigen konnte, ein Sharepic, mit der Beschriftung "Wenn Björn Höcke (AfD) die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlost, Geschichtsverfälschung betreibt und 'Deutschland Stück für Stück zurückholen' will und alle jubeln, zeigt das deutlich: ES GIBT NOCH NICHT GENUG HOLOCAUST-MAHNMALE"[2], zu teilen, finden wir schade, zumal wir den Spruch auch mehr als kritisch sehen.
Das Sharepic des Landesverbandes.
Denn hier schwingt die irrsinnige Annahme mit, mit Denkmälern alleine könne man etwas gegen die, in der warenproduzierenden postnazistischen Gesellschaft omnipräsente, Gefahr des wiederaufkommenden Faschismus bewirken. Den Verantwortlichen wäre wohl die Lektüre des kurzen Textes "Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit?" des Philosophen und kritischen Theoretikers Theodor W. Adorno zu empfehlen. Dieser verweist auf "demokratische Pädagogik"[3], welche, in Kombination mit psychoanalytischen Methoden, Aufklärung über das Geschehene am besten vermitteln könnte.[4]
Das bloße Denk- oder Mahnmal kann dieser Aufklärung über die Shoah nur unzureichend gerecht werden und das aktuelle Kunstprojekt #YOLOCAUST führt dies derzeit recht deutlich vor Augen.[5] So ein Umgang mit dem Gedenkort ist dabei keineswegs neu, sondern knüpft an die Aussage des Altkanzlers Gerhard Schröder über das Stelenfeld, als einen Ort den man „gern mal besucht“[6], an. Wie unbekümmert man in Deutschland mit der Vergangenheit umgeht, zeigt sich auch, wenn Historiker, wie Eberhard Jäckel, in Festreden über den Sinn des Berliner Shoah-Denkmales sinnieren, dass "wir" in anderen europäischen Ländern um dieses Denkmal beneidet werden würden und "wir" dank diesem nun wieder aufrecht gehen könnten.[7] Dank dem Berliner Shoah-Mahnmal kann man also wieder stolz sein auf Deutschland und seinen Umgang mit der Vergangenheit: Bravo! In guter deutscher Manier lassen sich jetzt auch wieder all diejenigen mit erhobenen Zeigefinger zurechtweisen, die aus der Vergangenheit nicht so viel gelernt hätten wie die "anständigen Deutschen". Beliebtes Ziel der deutschen Besserwisserei ist dabei natürlich immer der Staat der Shoah-Überlebenden - Israel.
Wie man hoffentlich verstanden hat, ist das Shoah-Mahnmal in Berlin ein denkbar schlechtes Beispiel, wenn man kritisieren möchte, dass "Deutschland Stück für Stück" zurück geholt wird. Vielmehr muss man feststellen: Deutschland war nie weg. Statt mehr Mahnmale zu verlangen, wäre es darum sinnvoller zu fordern: "[Alles] Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts ähnliches geschehe."[8]


[1] – Pressemitteilung der Linksjugend Jena: https://www.facebook.com/LinksjugendJena/posts/941135096023881 ; zuletzt überprüft am 21.01.2017.
[3] – Adorno, Theodor: Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit? In: ders.: Erziehung zur Mündigkeit. Frankfurt/ Main 2015. S. 24.
[4] – ebd. S. 27.
[5] – siehe die Internetpräsenz des Projektes: http://yolocaust.de/ ; zuletzt überprüft am 21.01.2017.
[6] – zitiert nach: Feddersen, Jan: Die Erinnerungslücken bleiben. in: taz, 10.05.2006. online: http://www.taz.de/!434761/ ; zuletzt überprüft am 21.01.2017.
[7] – zitiert nach: Entweder Broder – Die Deutschland-Safari. Folge 2: Von Allah bis Osama, Minute 05:18.
[8] – Adorno, Theodor: Negative Dialektik. Frankfurt/ Main 2000. S. 358.

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