Donnerstag, 27. Juli 2017

»Antiimperialismus« - Kritische Überprüfung eines historischen Konzeptes.

Ein stets wiederkehrender Begriff bei der Analyse der internationalen Beziehungen aus linker Perspektive ist der des „Imperialismus.“ Als besonders problematisch ist jedoch die Ungenauigkeit des Imperialismus-Begriffs in Verbindung mit seinem inhaltlichen Dogmatismus anzusehen. Der vorliegende Beitrag wird daher versuchen zunächst kurz die Ursprünge und Inhalte des Imperialismus-Begriffs darzulegen. Ausgehend von seiner historischen Entwicklung und seines Pendants, des „Antiimperialismus“ sollen daraufhin ihre zentralen Unzulänglichkeiten erörtert und kritisiert werden.

Mittwoch, 17. Mai 2017

Bericht des LAK ['sisyphos] vom X. Bundeskongress der Linksjugend ['solid] 2017 in Leipzig

10 Jahre Linksjugend – Friede? Freude? Pustekuchen!

Die sächsische Linksjugend gilt gemeinhin als das „Schmuddelkind“ des Verbandes. Kein Bundeskongress, als das sich nicht irgendjemand über die Genoss_innen aus Sachsen und ihr Verhalten in Hinblick auf Sitzungsdisziplin und Konsum echauffierte. Auch politisch gibt der LV Sachsen für viele im Verband ein gutes Feinbild dar, da man seinen Mitgliedern eine Nähe zum BAK Shalom attestiert. Der Bundeskongress 2017, welcher vom 21. bis 23. April in Leipzig stattfand, versprach also durchaus spannend zu werden, ein Versprechen, welches sich so leider nicht ganz erfüllte, denn der Verband beging sein 10 Jähriges Jubiläum – ein Ereignis welches man nutzen wollte um sich selbst zu feiern und die bestehenden Gräben im Verband zu übertünchen.
Mit großen Pathos wurde die Erfolgsgeschichte des Verbandes nachgezeichnet: Mit den fast schon mythisch aufgeladenen Protesten von Heiligendamm 2007 als Ausgangspunkt, wurde kaum ein linkes Großevent der vergangenen Dekade ausgelassen, in dem der Linksjugend nicht eine herausragende Beteiligung zugesprochen wurde. Verbandskonflikte oder Negativereignisse wie die antisemitische Demonstration 2014 in Essen, welche nur durch die Beteiligung der regionalen Linksjugendstruktur überhaupt erst möglich war, wurden selbstverständlich ausgespart. Stattdessen wurde mantraartig die Einheit des „größten linken Jugendverbandes“ der Bundesrepublik beschworen. Die Delegation aus Nordrhein-Westfalen sang gnadenlos schief die immer gleichen drei Arbeiterlieder in Dauerschleife und die Revolution wäre wohl noch vor Ort ausgebrochen, hätte die ständig laufende Klimaanlage nicht die Gemüter der Tagungsmitglieder temperiert.
Aber genug des Ulks: Im Grunde war der Bundeskongress eine weitgehend fade Veranstaltung. Die beschlossenen Positionen waren meist nicht mehr als ein Aufguss der bekannten Verbandsthemen der letzten Jahre: G20, Klimaschutz, Solidaritätserklärungen, Feminismus, Antifaschismus und irgendwas zu Krieg & Frieden - Dafür lassen sich die Verbandsmassen begeistern und die Anträge zu diesen Themen wurden meist ohne nennenswerten Dissens durch gestimmt. Trotz des, über weite Strecken sehr langweiligen, Bukos haben sich jedoch auch einige schwerwiegende Fauxpas ereignet, die unserer Meinung nach aufgearbeitet werden müssen. Diese wollen wir darum im folgenden darstellen.

Dienstag, 25. April 2017

Bukoantrag zur Distanzierung von stalinistischen, maoistischen und anderen autoritären Umtrieben

Nachdem sich auf unsere Initiative hin bereits schon die Linksjugend Thüringen von Stalinismus und Maoismus distanziert und eine allgemeine Unvereinbarkeit mit diesen Ideologien beschlossenen hat, hat nun auch der X. Bundeskongress der Linksjugend ['solid] (mit einer kleinen Änderung) folgende Positionierung angenommen:

Nein, nein, das ist nicht der Kommunismus“ – Gegen Stalin, Mao und autoritäre Sozialismusvorstellungen  


Antragsteller: LAK ['sisyphos] Thüringen


Der Bundeskongress möge beschließen 

In der linkspolitischen Landschaft der Bundesrepublik erblickte vergangenen Jahres ein totgeglaubter Politzombie das Tageslicht: der Maoismus. Besonders zwei Gruppen erregten, sowohl in der bürgerlichen Presse als auch in der linken Szene, Aufmerksamkeit: Der Revolutionäre Aufbau und der sogenannte Jugendwiderstand. Diese beiden Gruppierungen stehen symptomatisch für die Renaissance autoritärer Sozialismusvorstellungen, welche für uns als emanzipatorische Linke ein Problem darstellen. Im Folgenden werden wir einige Einwände gegen die Ideologie der beiden Gruppen im Kontext der tatsächlichen Bewegungsgeschichte erheben um dann anschließend die für uns daraus hervorgehenden Einwände und Schlüsse für unseren Verband festzulegen. 

Stalinismus 

Mit der Machtübernahme Stalins wurde den progressiven Momenten der Oktoberevolution ein jähes Ende bereitet. Die Sowjetunion entwickelte sich zu einer totalitären Diktatur. Der stalinistische Terror gegen die tatsächlichen oder vermeintlichen Gegner_innen Stalins richtete sich dabei gegen die Bevölkerung: Trotzkist_innen, ausländische Kommunist_innen die vor Verfolgung geflohen waren, Großbauern und willkürlich als solche deklarierte, Geistliche und ethnische Minderheiten wurden verhaftet, in Schau- und Geheimprozessen zu Zwangsarbeit verurteilt oder hingerichtet, Millionen Sowjetbürger_innen in Gulags deportiert. Viele wurden dort getötet oder kamen durch die unmenschlichen Bedingungen ums Leben.

Die vorher errungenen Erfolge der Frauen- und Homosexuellenemanzipation verkehrten sich in ihr Gegenteil: Ab 1933/34 galten homosexuelle Handlungen nach Paragraph 154a StGB der RSFSR als eine Straftat. Homosexuelle wurden seither wieder in der Sowjetunion verfolgt, weibliche Homosexualität wurde gar als Persönlichkeitsstörung eingestuft. Ebenso wurden in diesem Zuge 1934 Abtreibungen in der Sowjetunion illegalisiert.

Stalinismus steht somit konträr zu den Idealen des Pluralismus und von individueller Freiheit und Selbstbestimmung. So wurde die Welt Zeuge, wie während der Moskauer Prozesse die Opfer derselben als willige Helfershelfer_innen agierten und in ihren „Geständnissen“ die freien Erfindungen der Staatsanwaltschaft tendenziell überboten. Das Argument dem sich alle beugten lautete: „Wenn du wirklich [...] für die Sowjetregierung bist, dann kannst du es augenblicklich nur dadurch beweisen, dass du die Geständnisse ablegst, die die Regierung von dir verlangt, weil sie in diesem Zeitpunkt solche Geständnisse braucht.“ [1]

Maoismus 

Die Volksrepublik China war während der gesamten rund dreißigjährigen Herrschaft Mao Tse-tungs ein wirtschaftlich ineffizientes, von politischen Verfolgungen gezeichnetes und bis 1972 außenpolitisch weitgehend isoliertes Land.

Dennoch sollte man, wird über den Maoismus geredet, nicht verschweigen, dass er aus der spezifischen historischen Situation entsprang, sich gegen die rechten Antikommunist_innen der Kuomintang zu stellen. Diese Errungenschaft (Gewinnen des Chinesischen Bürgerkriegs) wollen wir ihm nicht absprechen. Was uns jedoch als augenfällig notwendig erscheint, ist die Betonung, Kritik und Ablehnung der menschenverachtenden und kompromisslosen Härte, mit der gegen vermeintliche Gegner_innen vorgegangen wurde. Auch muss festgehalten werden, das die Modernisierung des Landes im Zuge des „Großen Sprung nach Vorn“ mehrere Millionen verhungerte Landarbeiter_innen zur Folge hatte. Als die Nachricht von den Hungersnöten in Peking ankam, kommentierte Mao dies wie folgt: „Wenn es nicht genug zu essen gibt, verhungern die Menschen. Es ist besser, die Hälfte der Menschen sterben zu lassen, damit die andere Hälfte genug zu essen hat.“[2]

Auch an folgendem Beispiel lässt sich der maoistische Irrsinn gut skizzieren: Um die Produktivität der Landwirtschaft zu steigern, wurde die „Große Spatzenkampagne“ ausgerufen. Im Zuge dieser wurden circa zwei Millionen Vögel getötet. Als nach diesem rapiden Populationsrückgang China von Insektenplagen heimgesucht wurde[3], importierte man kurzerhand Vögel aus der Sowjetunion.

Der gelebte Antiintellektualismus während der sogenannten „Kulturrevolution“ liegt uns als emanzipatorischen Linken in besonderem Maße fern. Im Zuge dieser schwänzten die Jugendlichen Schulen und Universitäten, schlossen sich zu Roten Garden zusammen, töteten und misshandelten zahlreiche Menschen – insbesondere Menschen mit Bildung (Lehrer_innen, Ärzt_innen, Künstler_innen, Geistliche, Parteikader_innen) –, zerstörten Kulturdenkmäler, Tempel, Bibliotheken und Museen und bekämpften sich sogar untereinander. 

Wie lässt sich der Kampf um die Köpfe der Bevölkerung führen, wenn diese mit Kommunismus Gulag und Massensterben verbinden? 

Sowohl der Revolutionäre Aufbau, als auch der Jugendwiderstand affirmieren offen die stalinistischen und maoistischen Schrecken. Auch Drohungen und tätliche Angriffe gegen andere Linke gehören zur politischen Praxis.

Mit Parolen und Losungen wie „Nur der Griff der Massen zum Gewehr, schafft den Sozialismus her!“, „Kommunismus ist nicht Liebe. Kommunismus ist der Hammer, mit dem wir den Feind zerschlagen.“ (Mao) und „Wir wollen mit unserer Kultur Krieger erziehen und nicht einen Haufen verballerter Junkies, die am nächsten Morgen auf der Demonstration kaum grade stehen können, falls sie überhaupt erscheinen.“ stehen sie in der Tradition des maoistischen Konzepts vom Volkskrieg. Dieses Konzept halten wir nicht nur darum für problematisch, weil es eine apokalyptische Endschlacht zwischen Bourgeoisie und Proletariat heraufbeschwört, sondern auch deshalb weil uns die Vorstellung der bewaffneten Masse in Hinblick auf die Vergangenheit gruselt.

Als linker Jugendverbandes halten wir nichts davon zum Töten unserer Gegner_innen und zur Gewalt gegen andere Linke aufzurufen. Vielmehr sehen wir unsere Aufgabe in der Befähigung der Menschen durch Bildung im Sinne eines marx'schen Humanismus in einen wahrhaft menschlichen Zustand – in dem „alle Verhältnisse [umgeworfen sind], in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“[4] - hinüberzutreten, in welchem als gesellschaftlicher Grundsatz gilt: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“[5]

Daher ergeben sich folgende Punkte für das politische Profil unseres Jugendverbandes: 

1) Die Linksjugend ['solid] distanziert sich von oben genannten stalinistischen und maoistischen Gruppen. 

2) Die Linksjugend ['solid] beschließt eine generelle Unvereinbarkeit mit stalinistischer und maoistischer Ideologie und bekräftigt ihren Abstand zu autoritären Sozialismusvorstellungen, da sie unseren Verbandsgrundsätzen (Pluralismus, Basisdemokratie, Selbstbestimmung, Antisexismus) entgegenstehen.

---

[1] Anton Ciliga: The Russian Enigma, S.153. zit. nach: Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft, S.661.

[2] Alexander V. Pantsov/ Steven I. Levine: Mao. Die Biographie. Online: https://books.google.de/books?id=C05tAgAAQBAJ&pg=PT589&lpg=PT589&dq#v=onepage&q&f=false ; zuletzt überprüft am 07.04.2017.

[3] "Ich erinnerte mich an einen Tag, an dem die ganze Bevölkerung nichts anderes machte, als mit Gongs und Töpfen und allen möglichen anderen zum Krachmachen geeigneten Gegenständen auf den Straßen und in den Höfen herumzulaufen, um die Spatzen aufzuscheuchen. Den ganzen Tag war so laut gescheppert worden, dass die Vögel sich nirgends niederlassen konnten und schließlich tot vom Himmel fielen. An jenem Tag wurden Millionen von Vögeln getötet, und wir waren alle ganz stolz darauf gewesen. War es nicht fantastisch, wie es Mao Zedong gelang, die gesamte Bevölkerung für ein gemeinsames Ziel zu mobilisieren? Erst später erfuhren wir, dass die Vögel, die in der Stadt lebten, immer in der Stadt blieben und deshalb gar keinen Schaden auf den Feldern anrichten konnten. Im Gegenteil: Da nicht nur die körnerfressenden Spatzen von der Aktion betroffen waren, hatten wir anschließend eine Insektenplage erlebt." (Yu-Chien Kuan: Mein Leben unter zwei Himmeln. S. 468)

[4] Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. In MEW Band 1, S.385.

[5] Karl Marx: Kritik des Gothaer Programms. In MEW Band 19, S.21.

Mittwoch, 25. Januar 2017

Vollständige Erklärung: "Antisemitismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem!"

Nach der Beschlusslage desBundeskongresses 2015 sollte der Kampf gegen jeden Antisemitismus eigentlich eine Grundposition der Linksjugend sein. Das der Landesverband Thüringen das heute nochmal bekräftigt ist darum eigentlich unerheblich, wenn doch natürlich trotzdem auch begrüßenswert.
Was uns jedoch unsagbar fassungslos macht ist die Entkontextualisierung dieser Positionierung durch den aktuellen Landessprecher_innenrat. Gegen jeden Antisemitismus zu sein heißt für uns auch gegen jedes Appeasement mit Antisemit_innen zu sein!
Deswegen dokumentieren wir an dieser Stelle die, vom LSPR leider unveröffentlichte, Originalversion der Erklärung:

"Antisemitismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem! Die Ideologie, die sich von der Verachtung gegen „die da oben“ bis hin zum Verlangen nach der Vernichtung aller Juden und Jüdinnen erstreckt, hat zu einem Verbrechen geführt, das hoffentlich nie ein zweites seiner Art erfährt. Als Jugendverband haben wir uns verpflichtet uns gegen jede Form des Antisemitismus zu stellen und werden ihn konsequent bei uns und anderen anprangern.
Ein anderes Problem liegt in der allgemeinen Diskussionskultur. Menschlich vollkommen unverständlich erscheinen uns die überhandnehmenden Beleidigungen und der konsequente Verzicht darauf Verantwortung für Scheiße zu übernehmen.
Es gibt in der Linksjugend [solid] einen Verband, der leider sinnbildlich für diese Entwicklung steht, was für uns als Landesverband geradezu unerträglich ist.

In dem Konflikt zwischen der Linksjugend ['solid] NRW und Jutta Ditfurth wollen wir auf einen besonderen Vorteil politischer Jugendverbände hinweisen:
Sich glaubhaft zu entschuldigen und anschließend ein halbes Jahr zurückzuziehen um den eigenen Aktivismus und die eigenen Überzeugungen zu hinterfragen wird als Stärke gesehen und kann etwas aus der Welt schaffen. Dieses Privileg kommt so schnell nicht wieder! Es gibt Fehler, die sind unentschuldbar – und doch ist etwas aus ihnen zu lernen eine Tugend, die zu Recht große Anerkennung erfährt.
Was in keiner Weise unkommentiert stehen gelassen werden kann, ist eine scheinheilige Distanzierung die vollkommen folgenlos bleiben wird und die blanke Aussage, es gäbe keinen Antisemitismus im Landesverband NRW. Ein kritischer Blick auf sich selbst ist eine grundlegende Voraussetzung sowohl für den Anspruch glaubhaft zu sein, als auch für den Anspruch Emanzipation voran zu treiben."

Samstag, 21. Januar 2017

Mit Denkmälern gegen die Barbarei?

Mit seiner Brandrede in einem Dresdner Brauhaus erregt Björn Höcke momentan die Gemüter in der Republik. Der faschistische Agitator aus Thüringen nutzt seine Redezeit, um mit der Politik und Gesellschaft in der Bundesrepublik abzurechnen. Dem autoritären Mob gefällt es. Nur mit Mühe gelingt es der Masse, ruhig zu bleiben und regelmäßig blökt sie dumpfe Parolen - "Merkel muss weg", "Volksverräter", "ausmisten" und nicht zu vergessen: "Wir sind das Volk".
 Es gibt viele Punkte aus der Rede, die man für eine Kritik aufgreifen könnte - ja müsste. Bedauerlich finden wir, dass der LSPR der Linksjugend ['solid] Thüringen nicht die Pressemitteilung der Linksjugend Jena verwenden wollte und sich davor gescheut hat, sowohl Höcke einen Nazi zu nennen, als auch seine Zuhörerschaft als das zu charakterisieren was sie waren, nämlich Pöbel.[1] Dass sich der LSPR nur darauf verständigen konnte, ein Sharepic, mit der Beschriftung "Wenn Björn Höcke (AfD) die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlost, Geschichtsverfälschung betreibt und 'Deutschland Stück für Stück zurückholen' will und alle jubeln, zeigt das deutlich: ES GIBT NOCH NICHT GENUG HOLOCAUST-MAHNMALE"[2], zu teilen, finden wir schade, zumal wir den Spruch auch mehr als kritisch sehen.
Das Sharepic des Landesverbandes.
Denn hier schwingt die irrsinnige Annahme mit, mit Denkmälern alleine könne man etwas gegen die, in der warenproduzierenden postnazistischen Gesellschaft omnipräsente, Gefahr des wiederaufkommenden Faschismus bewirken. Den Verantwortlichen wäre wohl die Lektüre des kurzen Textes "Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit?" des Philosophen und kritischen Theoretikers Theodor W. Adorno zu empfehlen. Dieser verweist auf "demokratische Pädagogik"[3], welche, in Kombination mit psychoanalytischen Methoden, Aufklärung über das Geschehene am besten vermitteln könnte.[4]
Das bloße Denk- oder Mahnmal kann dieser Aufklärung über die Shoah nur unzureichend gerecht werden und das aktuelle Kunstprojekt #YOLOCAUST führt dies derzeit recht deutlich vor Augen.[5] So ein Umgang mit dem Gedenkort ist dabei keineswegs neu, sondern knüpft an die Aussage des Altkanzlers Gerhard Schröder über das Stelenfeld, als einen Ort den man „gern mal besucht“[6], an. Wie unbekümmert man in Deutschland mit der Vergangenheit umgeht, zeigt sich auch, wenn Historiker, wie Eberhard Jäckel, in Festreden über den Sinn des Berliner Shoah-Denkmales sinnieren, dass "wir" in anderen europäischen Ländern um dieses Denkmal beneidet werden würden und "wir" dank diesem nun wieder aufrecht gehen könnten.[7] Dank dem Berliner Shoah-Mahnmal kann man also wieder stolz sein auf Deutschland und seinen Umgang mit der Vergangenheit: Bravo! In guter deutscher Manier lassen sich jetzt auch wieder all diejenigen mit erhobenen Zeigefinger zurechtweisen, die aus der Vergangenheit nicht so viel gelernt hätten wie die "anständigen Deutschen". Beliebtes Ziel der deutschen Besserwisserei ist dabei natürlich immer der Staat der Shoah-Überlebenden - Israel.
Wie man hoffentlich verstanden hat, ist das Shoah-Mahnmal in Berlin ein denkbar schlechtes Beispiel, wenn man kritisieren möchte, dass "Deutschland Stück für Stück" zurück geholt wird. Vielmehr muss man feststellen: Deutschland war nie weg. Statt mehr Mahnmale zu verlangen, wäre es darum sinnvoller zu fordern: "[Alles] Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts ähnliches geschehe."[8]


[1] – Pressemitteilung der Linksjugend Jena: https://www.facebook.com/LinksjugendJena/posts/941135096023881 ; zuletzt überprüft am 21.01.2017.
[3] – Adorno, Theodor: Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit? In: ders.: Erziehung zur Mündigkeit. Frankfurt/ Main 2015. S. 24.
[4] – ebd. S. 27.
[5] – siehe die Internetpräsenz des Projektes: http://yolocaust.de/ ; zuletzt überprüft am 21.01.2017.
[6] – zitiert nach: Feddersen, Jan: Die Erinnerungslücken bleiben. in: taz, 10.05.2006. online: http://www.taz.de/!434761/ ; zuletzt überprüft am 21.01.2017.
[7] – zitiert nach: Entweder Broder – Die Deutschland-Safari. Folge 2: Von Allah bis Osama, Minute 05:18.
[8] – Adorno, Theodor: Negative Dialektik. Frankfurt/ Main 2000. S. 358.