Es sollte Geschlossenheit ausstrahlen,
was die beiden Vorsitzenden von Bundestagsfraktion und Partei am 9. Juni in
Leipzig gemeinsam zur Abstimmung stellten: Per Eilverfahren
verabschiedete die große Mehrheit der versammelten Delegierten des Parteitags (die Gegenstimmen waren einstellig) einen Antrag mit dem
Titel "Völkerrecht einhalten - Atomabkommen mit dem Iran
beibehalten". Die dabei schon im Titel angelegte
Schwachsinnigkeit (Als würde der Iran nicht bereits trotz des
Atomabkommens permanent gegen geltendes Völkerrecht verstoßen -
man denke nur an sein militärisches Engagement in Syrien, wo er
gemeinsam mit der von ihm unterstützen Hisbollah Truppen im Süden
des Landes stationiert hat oder an den Bürgerkrieg im Jemen, wo die
vom Iran unterstützen Huthi-Rebellen faktisch die Kontrolle über
das Land errungen haben und die Zeichen derzeit auf die Vorbereitung
eines Genozids an den Bahai hinweisen [2]) wird dabei nur noch durch
den unglaublich defizitären Forderungskatalog übertrumpft. Der
zentrale Punkt des Antrages ist die Aufforderung an die
Bundesregierung, am Atomabkommen mit dem Iran festzuhalten, nachdem
Trump in einem unerwartet antifaschistischen Moment dieses Abkommen
am symbolträchtigen Tag des 8. Mais aufgekündigt hatte.
Neben der linken Standartformel, keine
Waffen an niemanden (also auch nicht an Israel) zu liefern, finden
sich in dem kurzen Text auch Passagen, die man bei einer linken
Partei eigentlich eher nicht erwarten würde. So steht dort
beispielsweise: "Bei US-Sanktionen gegen Dritte oder gegen
europäische Unternehmen für ihr Iran-Geschäft, sollten von der EU
Gegenmaßnahmen ergriffen werden." Tapfer verteidigt DIE
LINKE hier das Profitinteresse der deutschen und europäischen
Unternehmen ohne auch nur ein kritisches Wort über das
klerikalfaschistische Regime in Teheran zu verlieren. Stattdessen
versteigt man sich zu einer nur noch als wahnsinnig zu bezeichnenden
Floskel: "Die Androhungen von Gewalt durch alle
Konfliktparteien in der Region muss zurück gewiesen werden ohne die
Sicherheitsinteressen der Konfliktparteien zu ignorieren.
"
Wer es tatsächlich ernst meint damit die Sicherheitsinteressen
aller Konfliktparteien nicht ignorieren zu wollen, der muss den Iran
dazu zwingen seine aggressive und längst über die bloße Androhung
von Gewalt hinausgehende, Politik in Form seines militärischen
Eingreifens in Syrien und Jemen, seine gezielten Provokationen und
Sabotageakte gegen Saudi-Arabien und Bahrein, sowie die
Unterstützung von islamistischen Organisationen und Terrorgruppen
wie der Hamas in Gaza, der Hisbollah im Libanon und den
Muslimbrüdern in Ägypten einzustellen. Vollmundig bringt der
Antrag schließlich zum Ausdruck, dass nur eine "Konferenz
für Sicherheit und Zusammenarbeit" die Konflikte in der
Region des Nahen und Mittleren Ostens auf diplomatischem Wege lösen
könne. Die Nachbarstaaten des Irans sind trotz des Atomabkommens
unmittelbar von dessen Politik bedroht. Ein irrational agierendes
Regime wie der Iran wird sich nur mit genügend Druck solchen
Verhandlungen gegenüber öffnen. Nur ein Ende des Abkommens und die
Wiedereinführung von harten Sanktionen werden diesen notwendigen
Druck erzeugen können.
Dagegen wird im Antragstext weiter
behauptet, durch das einseitige Aufkündigen des Abkommens seitens
der USA würde der Nahe Osten in einen nuklearen Wettlauf gestürzt
werden, was letztlich eine Gefahr für Europa wäre. Der Antrag hat
in diesem Punkt gar nicht Unrecht, ein nukleares Wettrüsten IST
auch eine Gefahr für Europa. Verschwiegen wird jedoch, dass die
Gefahr einseitig vom Mullah-Regime in Teheran ausgeht, welches seit
seinem Bestehen nicht müde wird zu betonen, den jüdischen Staat
vernichten zu wollen[3]. Darüber hinaus ermöglichte nicht zuletzt
das Atomabkommen den massiven Ausbau des iranischen
Raketenprogramms. Der Iran verfügt heute über Raketen mit einer
Reichweite von 2000 km, welche Atomsprengköpfe transportieren
könnten. Parallel dazu arbeitet das Regime auch an
Langstreckenraketen, mit denen es bald möglich wäre, jedes Ziel in
Europa oder den USA anzuvisieren. Angesichts der jetzt schon
aggressiv betriebenen Expansionspolitik eine Entwicklung die einem
auch als linke europäische Partei mit Besorgnis erfüllen sollte.
Es ist blanker Hohn, wenn mittlerweile
selbst der von den schlimmsten reaktionär-antiimperialistischen
Kräften als "Israelfreund" geadelte und bisher als Stimme
der Restvernunft erscheinende, außenpolitische Sprecher der
Fraktion, Stefan Liebich, keinen Widerspruch darin sieht einerseits
Israel zum 70. Geburtstag zu gratulieren und davon zu reden, dass
man konsequent gegen Antisemitismus vorgehen müsse, nur um dann
wenige Tage später die Wichtigkeit jenes Scheinabkommens zu betonen
und sich dabei sogar zu der Aussage hinreißen lässt, dass das
Abkommen gerade eben darum geschützt werden müsse, weil es der
Abrüstung dienen und weil es die Sicherheit Israels bewahren
würde.[4] Ganz so, als würden er und die Partei die desaströsen
Haken dieses „schlechtesten Deals aller Zeiten“ nicht genau
kennen: Das Abkommen schließt die Kontrolle von militärischen
Anlagen im Iran explizit aus und auch der Kontrollzugang zu
„zivilen“ Anlagen ist nicht vollständig möglich.[5] Die
Hinweise, dass der Iran den Bau der Atombombe forciert, häufen sich
seit Jahren, worauf insbesondere von israelischer Seite [6] immer
wieder verwiesen wurde. Während das Abkommen in der westlichen Welt
als lupenreines Friedensdokument herumgereicht wird, um die lästigen
Sanktionen und Handelssperren mit dem Iran zu kippen, konnte dieser
weiterhin völlig ungestört von jeder internationalen Kontrolle
Schwerwasserreaktoren mit Uran anreichern [7].
Die Ignoranz, dass diese Position
ausgerechnet auf einem Parteitag durchgewunken wurde, an dem
zeitgleich in vielen Städten weltweit der vom Iran initiierte
Aufmarsch der antisemitischen Internationalen zur Vernichtung
Israles - der "Al-Quds-Tag" - stattfand [8], verwundert
daher wenig. Parallel zu der Verabschiedung des Antrages sammelten
sich 1.600 Antisemiten allein in Berlin. Von einer
Solidaritätsbekundung mit den Gegendemonstranten fehlte auf dem
Parteitag konsequenterweise natürlich ebenso jede Spur wie auch von
Solidaritätsbekundungen mit den im Iran seit mehreren Monaten gegen
die Mullahs protestierenden Menschen. Die Blauäugigkeit gegenüber
einem Regime, dass weiterhin Spitzenreiter im Aussprechen von
Todesurteilen ist [9], ist unfassbar.
Der Traum der Revolution, also davon,
die Emanzipation von allen schlechten bestehenden Verhältnissen
radikal erzwingen zu wollen, scheint 2018 entgültig von der LINKEN
ausgeträumt. Was bleibt ist der fahle Glanz der sich über ihren
falsch verstandenen Antiimperialismus (dem Antiamerikanismus)
geeinten Partei und der fade Geschmack des Appeasements mit
Vernichtungsantisemiten. Statt Solidarität mit den iranischen
Protestierenden zu üben möchte man in den Mullahs lieber einen
verlässlichen Verhandlungspartner sehen. Wenn man es mit der
Sicherheit Europas, vielmehr aber Israels, ernst meint - was man
angesichts solch eines Beschlusses dieser Partei nun wahrlich nicht
unterstellen kann - muss man für den Bruch des derzeitigen Deals
und für einen Regimechange im Iran eintreten. Zumindest aber müsste
man gerade als Linke den Anstand aufbringen die demokratische
Opposition innerhalb und außerhalb des Irans zu unterstützen,
statt sich für die Interessen ihrer Schlächter einzusetzen. Dafür
müsste man das derzeitige Atomabkommen als das erkennen was es ist:
Nämlich kein "Meisterwerk moderner Diplomatie" wie es
sich manche in der Partei gerne zurechtlügen. Es ist nicht weniger
als der Verrat an allen aufrechten und tapferen, nicht zuletzt auch
linken, Gegnern und Opfern des iranischen Regimes.
[3]: Sei es durch die Organisation von
diversen Konferenzen mit antisemitischen Terroristen
(http://iraniansforum.com/eu/palastinensische-terrorgruppen-bei-der-intifada-konferenz-in-teheran/
) oder durch die öffentlichen Äußerungen der Repräsentantes des
Regimes
(https://www.mena-watch.com/der-iran-droht-israel-erneut-mit-vernichtung/
).
Mit vielen Punkten an dem Text stimme ich überein. Dass das Regime im Iran nicht als Unschuldslamm dargestellt werden darf und dass einem solchen Antrag mehr Kritik innewohnen sollte. Auch eine Solidaritätsbekundung mit den Gegendemonstranten zum Al-Quds Tag wäre mehr als angemessen. Eine starke Unterstützung von oppositionellen Bewegungen im Iran und außerhalb ist unbedingt notwendig. Wobei auch hier zu unterscheiden ist. Es gibt oppositionelle Gruppen mit sehr faschistischen Zügen (siehe Volksmodschaheddin).
AntwortenLöschenAber jetzt kommen meine Differenzen mit der Argumentation. Das Abkommen ist alles andere als perfekt und sollte nicht als Wertschätzung oder Akzeptanz der Praktiken des Regimes angesehen werden. Aber dem zugrunde liegt, und das sieht man selten, ein Lernen aus der Vergangenheit zugrunde. Nach dem ersten Golfkrieg durch Saddams Einmarsch in Kuweit wurde der Irak mit strengen Wirtschaftssanktionen belegt. In dieser Zeit verarmte ein Volk und Menschen starben an der mangelnden Verfügbarkeit von Medikamenten. Saddam saß aber sicher in seinem Sattel und hätte dort auch noch lange gesessen, wären die USA nicht schließlich militärisch einmarschiert. Was genau haben also die harten Sanktionen bewirkt außer einer Misere der Zivilbevölkerung? Garnichts! Ebenso hat sich an der Position des iranischen Regimes durch die Sanktionen vor dem Atomabkommen nichts geändert. Daher muss es doch erlaubt sein, die Wirksamkeit von Sanktionen in Frage zu stellen. Doch was gibt es für andere Möglichkeiten, Einfluss auf ein feindlich eingestelltes Regime zu nehmen? Entweder eine militärische Intervention. Das ist ein Pulverfass und könnte das Chaos, das wir jetzt im Irak beobachten noch toppen. Oder eben Appeasement. Abhängigkeit durch Handel und Kooperation. Es ist ökonomisch nicht sinnvoll, wichtige Handelpartner anzufeinden oder anzugreifen. Daher gehen diese Handelsinteressen über das reine Geld hinaus.
Zu dem Punkt des Raketenprogramms: Zugegeben, es ist stark gewachsen und ist bedrohlich. Aber wenn dem iranischen Regime die Möglichkeit genommen wird, seine Existenz durch Atomwaffen zu sichern, sucht es nach anderen Ressorts und findet es im Raketenprogramm. Ohne Abkommen wären es dann weiterhin Atomwaffen. Die "Hinweise", dass sie weiterhin Uran waffenfähig anreichern wurden an keinster Stelle jemals mit Beweisen unterfüttert.
Trotz alledem finde ich die Argumentation gegen das Abkommen definitiv nachvollziehbar und es gibt genug Rechtfertigung dafür, zu glauben, dass die Appeasement Politik nicht funktionieren wird. Ich selbst bin nicht 100% entschieden, ob das der richtige Weg ist. Hier daher ein Hinweis auf die exakte Wortwahl, sodass eine gute Argumentation schließlich ernstgenommen wird. Völkerrecht ist ein hohes Gut und es ist daher auch sehr richtig mit dem Völkerrecht in internationalen Konflikten zu argumentieren. Aber das Völkerrecht schützt auch die Integrität von (bestehenden) Nationalstaaten. Unabhängig davon, wie gut oder schlecht diese agieren. In dieser Definition handelt weder er Iran noch die Hezbollah in Syrien völkerrechtswidrig. Sie wurden von der Regierung Syriens gebeten, diese Aktionen auszuführen. Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden. Ich bin kein Assad-Freund, aber solange es keine andere offiziell anerkannte Regierung Syriens gibt, schützt ihn das Völkerrecht. Auch Russland handelt dort nicht völkerrechtswidrig. Die USA und die NATO hingegen schon. Doch hier die Abgrenzung zwischen Völkerrecht und Menschenrecht!
Richtig ist aber, dass der Iran im Jemen völkerrechtswidrig handelt, denn dort ist die legitime Regierung von der Rebellion der Huthi bedroht.
Ich freue mich auf eure Reaktionen.