Montag, 18. Juni 2018

»Mit Antisemiten kann es niemals Frieden geben!«

Nachtrag einer überfälligen Gegenrede zum Beschluss des Bundesparteitags der Partei DIE LINKE. "Völkerrecht einhalten - Atomabkommen mit dem Iran beibehalten"[1]

Es sollte Geschlossenheit ausstrahlen, was die beiden Vorsitzenden von Bundestagsfraktion und Partei am 9. Juni in Leipzig gemeinsam zur Abstimmung stellten: Per Eilverfahren verabschiedete die große Mehrheit der versammelten Delegierten des Parteitags (die Gegenstimmen waren einstellig) einen Antrag mit dem Titel "Völkerrecht einhalten - Atomabkommen mit dem Iran beibehalten". Die dabei schon im Titel angelegte Schwachsinnigkeit (Als würde der Iran nicht bereits trotz des Atomabkommens permanent gegen geltendes Völkerrecht verstoßen - man denke nur an sein militärisches Engagement in Syrien, wo er gemeinsam mit der von ihm unterstützen Hisbollah Truppen im Süden des Landes stationiert hat oder an den Bürgerkrieg im Jemen, wo die vom Iran unterstützen Huthi-Rebellen faktisch die Kontrolle über das Land errungen haben und die Zeichen derzeit auf die Vorbereitung eines Genozids an den Bahai hinweisen [2]) wird dabei nur noch durch den unglaublich defizitären Forderungskatalog übertrumpft. Der zentrale Punkt des Antrages ist die Aufforderung an die Bundesregierung, am Atomabkommen mit dem Iran festzuhalten, nachdem Trump in einem unerwartet antifaschistischen Moment dieses Abkommen am symbolträchtigen Tag des 8. Mais aufgekündigt hatte.
Neben der linken Standartformel, keine Waffen an niemanden (also auch nicht an Israel) zu liefern, finden sich in dem kurzen Text auch Passagen, die man bei einer linken Partei eigentlich eher nicht erwarten würde. So steht dort beispielsweise: "Bei US-Sanktionen gegen Dritte oder gegen europäische Unternehmen für ihr Iran-Geschäft, sollten von der EU Gegenmaßnahmen ergriffen werden." Tapfer verteidigt DIE LINKE hier das Profitinteresse der deutschen und europäischen Unternehmen ohne auch nur ein kritisches Wort über das klerikalfaschistische Regime in Teheran zu verlieren. Stattdessen versteigt man sich zu einer nur noch als wahnsinnig zu bezeichnenden Floskel: "Die Androhungen von Gewalt durch alle Konfliktparteien in der Region muss zurück gewiesen werden ohne die Sicherheitsinteressen der Konfliktparteien zu ignorieren.

" Wer es tatsächlich ernst meint damit die Sicherheitsinteressen aller Konfliktparteien nicht ignorieren zu wollen, der muss den Iran dazu zwingen seine aggressive und längst über die bloße Androhung von Gewalt hinausgehende, Politik in Form seines militärischen Eingreifens in Syrien und Jemen, seine gezielten Provokationen und Sabotageakte gegen Saudi-Arabien und Bahrein, sowie die Unterstützung von islamistischen Organisationen und Terrorgruppen wie der Hamas in Gaza, der Hisbollah im Libanon und den Muslimbrüdern in Ägypten einzustellen. Vollmundig bringt der Antrag schließlich zum Ausdruck, dass nur eine "Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit" die Konflikte in der Region des Nahen und Mittleren Ostens auf diplomatischem Wege lösen könne. Die Nachbarstaaten des Irans sind trotz des Atomabkommens unmittelbar von dessen Politik bedroht. Ein irrational agierendes Regime wie der Iran wird sich nur mit genügend Druck solchen Verhandlungen gegenüber öffnen. Nur ein Ende des Abkommens und die Wiedereinführung von harten Sanktionen werden diesen notwendigen Druck erzeugen können.
Dagegen wird im Antragstext weiter behauptet, durch das einseitige Aufkündigen des Abkommens seitens der USA würde der Nahe Osten in einen nuklearen Wettlauf gestürzt werden, was letztlich eine Gefahr für Europa wäre. Der Antrag hat in diesem Punkt gar nicht Unrecht, ein nukleares Wettrüsten IST auch eine Gefahr für Europa. Verschwiegen wird jedoch, dass die Gefahr einseitig vom Mullah-Regime in Teheran ausgeht, welches seit seinem Bestehen nicht müde wird zu betonen, den jüdischen Staat vernichten zu wollen[3]. Darüber hinaus ermöglichte nicht zuletzt das Atomabkommen den massiven Ausbau des iranischen Raketenprogramms. Der Iran verfügt heute über Raketen mit einer Reichweite von 2000 km, welche Atomsprengköpfe transportieren könnten. Parallel dazu arbeitet das Regime auch an Langstreckenraketen, mit denen es bald möglich wäre, jedes Ziel in Europa oder den USA anzuvisieren. Angesichts der jetzt schon aggressiv betriebenen Expansionspolitik eine Entwicklung die einem auch als linke europäische Partei mit Besorgnis erfüllen sollte.
Es ist blanker Hohn, wenn mittlerweile selbst der von den schlimmsten reaktionär-antiimperialistischen Kräften als "Israelfreund" geadelte und bisher als Stimme der Restvernunft erscheinende, außenpolitische Sprecher der Fraktion, Stefan Liebich, keinen Widerspruch darin sieht einerseits Israel zum 70. Geburtstag zu gratulieren und davon zu reden, dass man konsequent gegen Antisemitismus vorgehen müsse, nur um dann wenige Tage später die Wichtigkeit jenes Scheinabkommens zu betonen und sich dabei sogar zu der Aussage hinreißen lässt, dass das Abkommen gerade eben darum geschützt werden müsse, weil es der Abrüstung dienen und weil es die Sicherheit Israels bewahren würde.[4] Ganz so, als würden er und die Partei die desaströsen Haken dieses „schlechtesten Deals aller Zeiten“ nicht genau kennen: Das Abkommen schließt die Kontrolle von militärischen Anlagen im Iran explizit aus und auch der Kontrollzugang zu „zivilen“ Anlagen ist nicht vollständig möglich.[5] Die Hinweise, dass der Iran den Bau der Atombombe forciert, häufen sich seit Jahren, worauf insbesondere von israelischer Seite [6] immer wieder verwiesen wurde. Während das Abkommen in der westlichen Welt als lupenreines Friedensdokument herumgereicht wird, um die lästigen Sanktionen und Handelssperren mit dem Iran zu kippen, konnte dieser weiterhin völlig ungestört von jeder internationalen Kontrolle Schwerwasserreaktoren mit Uran anreichern [7].
Die Ignoranz, dass diese Position ausgerechnet auf einem Parteitag durchgewunken wurde, an dem zeitgleich in vielen Städten weltweit der vom Iran initiierte Aufmarsch der antisemitischen Internationalen zur Vernichtung Israles - der "Al-Quds-Tag" - stattfand [8], verwundert daher wenig. Parallel zu der Verabschiedung des Antrages sammelten sich 1.600 Antisemiten allein in Berlin. Von einer Solidaritätsbekundung mit den Gegendemonstranten fehlte auf dem Parteitag konsequenterweise natürlich ebenso jede Spur wie auch von Solidaritätsbekundungen mit den im Iran seit mehreren Monaten gegen die Mullahs protestierenden Menschen. Die Blauäugigkeit gegenüber einem Regime, dass weiterhin Spitzenreiter im Aussprechen von Todesurteilen ist [9], ist unfassbar.
Der Traum der Revolution, also davon, die Emanzipation von allen schlechten bestehenden Verhältnissen radikal erzwingen zu wollen, scheint 2018 entgültig von der LINKEN ausgeträumt. Was bleibt ist der fahle Glanz der sich über ihren falsch verstandenen Antiimperialismus (dem Antiamerikanismus) geeinten Partei und der fade Geschmack des Appeasements mit Vernichtungsantisemiten. Statt Solidarität mit den iranischen Protestierenden zu üben möchte man in den Mullahs lieber einen verlässlichen Verhandlungspartner sehen. Wenn man es mit der Sicherheit Europas, vielmehr aber Israels, ernst meint - was man angesichts solch eines Beschlusses dieser Partei nun wahrlich nicht unterstellen kann - muss man für den Bruch des derzeitigen Deals und für einen Regimechange im Iran eintreten. Zumindest aber müsste man gerade als Linke den Anstand aufbringen die demokratische Opposition innerhalb und außerhalb des Irans zu unterstützen, statt sich für die Interessen ihrer Schlächter einzusetzen. Dafür müsste man das derzeitige Atomabkommen als das erkennen was es ist: Nämlich kein "Meisterwerk moderner Diplomatie" wie es sich manche in der Partei gerne zurechtlügen. Es ist nicht weniger als der Verrat an allen aufrechten und tapferen, nicht zuletzt auch linken, Gegnern und Opfern des iranischen Regimes.


[3]: Sei es durch die Organisation von diversen Konferenzen mit antisemitischen Terroristen (http://iraniansforum.com/eu/palastinensische-terrorgruppen-bei-der-intifada-konferenz-in-teheran/ ) oder durch die öffentlichen Äußerungen der Repräsentantes des Regimes (https://www.mena-watch.com/der-iran-droht-israel-erneut-mit-vernichtung/ ).

1 Kommentar:

  1. Mit vielen Punkten an dem Text stimme ich überein. Dass das Regime im Iran nicht als Unschuldslamm dargestellt werden darf und dass einem solchen Antrag mehr Kritik innewohnen sollte. Auch eine Solidaritätsbekundung mit den Gegendemonstranten zum Al-Quds Tag wäre mehr als angemessen. Eine starke Unterstützung von oppositionellen Bewegungen im Iran und außerhalb ist unbedingt notwendig. Wobei auch hier zu unterscheiden ist. Es gibt oppositionelle Gruppen mit sehr faschistischen Zügen (siehe Volksmodschaheddin).
    Aber jetzt kommen meine Differenzen mit der Argumentation. Das Abkommen ist alles andere als perfekt und sollte nicht als Wertschätzung oder Akzeptanz der Praktiken des Regimes angesehen werden. Aber dem zugrunde liegt, und das sieht man selten, ein Lernen aus der Vergangenheit zugrunde. Nach dem ersten Golfkrieg durch Saddams Einmarsch in Kuweit wurde der Irak mit strengen Wirtschaftssanktionen belegt. In dieser Zeit verarmte ein Volk und Menschen starben an der mangelnden Verfügbarkeit von Medikamenten. Saddam saß aber sicher in seinem Sattel und hätte dort auch noch lange gesessen, wären die USA nicht schließlich militärisch einmarschiert. Was genau haben also die harten Sanktionen bewirkt außer einer Misere der Zivilbevölkerung? Garnichts! Ebenso hat sich an der Position des iranischen Regimes durch die Sanktionen vor dem Atomabkommen nichts geändert. Daher muss es doch erlaubt sein, die Wirksamkeit von Sanktionen in Frage zu stellen. Doch was gibt es für andere Möglichkeiten, Einfluss auf ein feindlich eingestelltes Regime zu nehmen? Entweder eine militärische Intervention. Das ist ein Pulverfass und könnte das Chaos, das wir jetzt im Irak beobachten noch toppen. Oder eben Appeasement. Abhängigkeit durch Handel und Kooperation. Es ist ökonomisch nicht sinnvoll, wichtige Handelpartner anzufeinden oder anzugreifen. Daher gehen diese Handelsinteressen über das reine Geld hinaus.
    Zu dem Punkt des Raketenprogramms: Zugegeben, es ist stark gewachsen und ist bedrohlich. Aber wenn dem iranischen Regime die Möglichkeit genommen wird, seine Existenz durch Atomwaffen zu sichern, sucht es nach anderen Ressorts und findet es im Raketenprogramm. Ohne Abkommen wären es dann weiterhin Atomwaffen. Die "Hinweise", dass sie weiterhin Uran waffenfähig anreichern wurden an keinster Stelle jemals mit Beweisen unterfüttert.
    Trotz alledem finde ich die Argumentation gegen das Abkommen definitiv nachvollziehbar und es gibt genug Rechtfertigung dafür, zu glauben, dass die Appeasement Politik nicht funktionieren wird. Ich selbst bin nicht 100% entschieden, ob das der richtige Weg ist. Hier daher ein Hinweis auf die exakte Wortwahl, sodass eine gute Argumentation schließlich ernstgenommen wird. Völkerrecht ist ein hohes Gut und es ist daher auch sehr richtig mit dem Völkerrecht in internationalen Konflikten zu argumentieren. Aber das Völkerrecht schützt auch die Integrität von (bestehenden) Nationalstaaten. Unabhängig davon, wie gut oder schlecht diese agieren. In dieser Definition handelt weder er Iran noch die Hezbollah in Syrien völkerrechtswidrig. Sie wurden von der Regierung Syriens gebeten, diese Aktionen auszuführen. Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden. Ich bin kein Assad-Freund, aber solange es keine andere offiziell anerkannte Regierung Syriens gibt, schützt ihn das Völkerrecht. Auch Russland handelt dort nicht völkerrechtswidrig. Die USA und die NATO hingegen schon. Doch hier die Abgrenzung zwischen Völkerrecht und Menschenrecht!
    Richtig ist aber, dass der Iran im Jemen völkerrechtswidrig handelt, denn dort ist die legitime Regierung von der Rebellion der Huthi bedroht.
    Ich freue mich auf eure Reaktionen.

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